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Dr.-Ing. e.h. Walther von Selve (1876-1948) -Unternehmer, Erfinder und Sportler

Im Lebensweg Walther von Selves, dem Sohn Gustav Selves, spiegeln sich typische Sozialmuster seiner Generation und Herkunft. Er gehörte zu derjenigen Gruppe familiär begüterter deutscher Männer, die in den letzten zwei Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts Schule und Studium durchliefen und bis zum Beginn des Ersten Weltkrieges von wichtigen, noch wilhelminisch geprägten Sozialisationsinstanzen wie Familie, Armee und Beruf entscheidende Prägungen erhielten.

Ungeachtet seiner grundkonservativen Werthaltung förderten Unternehmer innerhalb dieser Gruppierung die Modernisierung technischer Betriebsabläufe. Folgerichtig stand man dem Automobil positiv gegenüber. Keineswegs galt es ihnen aber in den Anfangsjahren der Weimarer Republik als Mittel der Demokratisierung oder als Fortbewegungsmittel für breite Bevölkerungsschichten, vielmehr bot es in den gehobenen Ausführungen die Möglichkeit der Fortschreibung eines standesbezogenen Selbstverständnisses mit automobilen Mitteln.

Walther von Selve war ein außergewöhnlicher Sportler, getrieben von brennendem Ehrgeiz. Am Ende seiner aktiven Laufbahn als Rennfahrer auf der Radrennbahn im Jahr 1900 blickte er auf 33 Rennen zurück, bei denen er 18 erste, fünf zweite und drei dritte Preise gewinnen konnte.

Seit 1906 beteiligte sich von Selve an Autorennen und an mehreren Rennen mit Motorbooten. Die Autorennen waren deshalb für ihn so bedeutsam, weil er sich unmittelbar mit Innovationen auseinandersetzen konnte. Er sprach mit Herstellern, Funktionären von mächtigen Verbänden und Automobilclubs sowie mit künftigen Konkurrenten der Auto- und Motorenindustrie. Er lernte die besten Werkfahrer und Techniker kennen. Er experimentierte bei den Rennen mit Kotflügeln und ging mit einem speziellen Kühler aus Aluminium an den Start, der alsbald von „Basse & Selve“ in die laufende Produktion übernommen wurde.

1910 ehelichte von Selve die Tochter des Ulmer Geheimrats Philipp Wieland, Else Wieland. Es war eine Wirtschaftsallianz, handelte es sich bei Wieland doch um einen der größten Konkurrenten. Mit der Verleihung des Freiherrentitels 1918 und des Titels Dr.-Ing e.h. 1919 durch die Technische Hochschule Aachen wegen seiner Verdienste in der Technik, insbesondere durch die Erfindung des Aluminiumkolbens, stieg von Selve weiter gesellschaftlich auf.

Bereits 1911 war „Basse & Selve“ auf Drängen Walther von Selves in die Motorenproduktion für Flugzeuge und Luftschiffe, später auch für Motorboote, eingestiegen. 1917 kaufte er in Hameln eine Automobilfabrik. Vermutlich hatte die dort vor Ort bereits gegebene Kombination von Automobilwerk und einem größeren Karosseriebaubetrieb ihm diese Entscheidung erleichtert. Eine Selbstverständlichkeit war sie nicht, konnte doch die Dezentralität der Standorte Hameln und Altena und ihre Entfernung zueinander zu einem Problem werden.

Dennoch: Kaum ein deutscher Unternehmer verfügte über solche Voraussetzungen: Rennsportler, Unternehmersohn, begnadeter Techniker mit Beziehungen zu Adelskreisen, zur Hochfinanz und zur Industrie! Was konnte da bei einer Automarke „Selve“ eigentlich noch schief gehen?


Walther von Selve, 1918; Archiv
des Märkischen Kreises, Altena


Hochzeitsfoto, Else Wieland u. Walther von Selve; Privatbesitz


Selve als Radrennfahrer, um 1898; Privatbesitz
© 2004, Museen der Stadt Lüdenscheid